Wer sich bei Teil 1 – Behrens Lederhandwerk dachte: „Alter Hut! Kenn‘ ich, kenn‘ ich“, dem kann ich hier vielleicht doch noch etwas neues präsentieren. Natur & Co ist ein kleiner Öko-Kleider-Produzent und -Laden in Königsfeld im Schwarzwald. Wir wissen von diesem Juwel, weil mein Mann und ich einige Zeit im „Nachbarkaff“ gewohnt haben.
Das Besondere an Natur & Co ist seine radikal naturnahe Philosophie, an der der Gründer und Chef Schuld trägt. Wilhelm Dietz war eine Art Öko-Hardliner, wenn man so will, der mit seinem Laden seinen Teil zur Rettung der Welt beitragen wollte. Optisch darf man sich eine Art Almöhi mit Rauschebart vorstellen. Sein Ziel war es, völlig umweltfreundlich und naturschonend zu produzieren und auch die fertigen Teile gänzlich schadstofffrei zu halten. Deswegen wird auch kein Teil gefärbt, nicht einmal mit Pflanzenfarben, da hier Beizen verwendet werden, die er nicht in seinen Stoffen sehen wollte. Das Ergebnis sind Waren in allen natürlichen Farben, von Cremeweiß über Grauschattierungen bis hin zu Dunkelbraun.
Auch die Herstellung ist zu erwähnen. Die Wolle kommt gänzlich aus Deutschland, Leinen aus Deutschland und Belgien und die Baumwolle aus der Türkei.
Die naturbelassenen Naturfasern werden in Königsfeld vor Ort versponnen (zum Teil mit selbst erzeugter Wasserkraft) und ebenfalls vor Ort verwebt oder verstrickt. Ich durfte mir schon einige Male die Maschinen und das Stofflager in den Hinterräumen des Ladens ansehen, in denen die schönen Natur & Co-Stücke von einigen wenigen Angestellten hergestellt werden. Dadurch gibt es fast keine Versandwege, das spart Unmengen an Energie.
Wer in Königfeld vorbei schauen möchte, taucht in eine ganze besondere Welt ein. Alles ist wohlduftend (es werden auch selbstgemachte Seifen verkauft), Farben und Formen schmeicheln dem Auge, man entspannt sich. Nichts ist grell, nirgends nervt Plastik, alles ist aus Holz, Wolle, Horn, Borsten – Natur, Natur, Natur. Es ist ein empfehlenswertes Erlebnis!
Ein Beispiel: die fantastische Wollhose
Und die Produkte – was soll ich sagen? Es ist erst einmal ein wunderbares Gefühl, zu wissen und zu sehen, wie die Kleidung, die Decken, die Wäsche oder Besen entstanden. Aber nicht nur das: die Qualität ist wirklich sehr gut. Für P haben wir im ersten Winter eine Wollhose in Größe 62/68 gekauft. Es wurde schnell das absolute Lieblingsteil und tatsächlich jeden Tag getragen, bis es zu warm wurde. Weil P im Oktober geboren wurde, benötigte er keine wasserabweisende Schicht, er wurde ja noch nicht auf den nassen Boden gesetzt. Nur warm musste es sein und das ist Wolle natürlich. Wurde die Hose schmutzig, reichte es, die Wolle arbeiten zu lassen, die ist nämlich selbstreinigend. Trocknen lassen, abklopfen, fertig. Wundervoll.
Was aber wirklich fabelhaft an meiner geliebten Hose war: sie wuchs mit! Ich konnte es kaum fassen, aber die Hose passte sich irgendwie den länger werdenden Beinen meines Sohnes an! Und so konnte das gute Stück auch noch im folgenden Winter getragen werden. Wieder von Herbst bis Frühling. Im Winter unterm Wollwalkanzug. Bei Natur & Co wurde mir gesagt, dass dieses Phänomen von anderen Kunden bereits bekannt ist. Irgendwie lebt die Hose (natürlich nur begrenzt) mit. Aber die 62/68 hielt zumindest bis zur Hosengröße von zirka 86. Verrückt, nicht?
Wie gerne würde ich euch die Hose heute zeigen und auch an den dicken Beinen vom kleinen E, der im November 1 wird, würde ich sie gerne sehen. Aber leider, leider haben wir im diesjährigen Frühling die Hose (mitsamt einer Vielzahl anderer Kleidungsstücke) in einem nie wieder aufgetauchten Koffer im Zug liegen gelassen. Das tut mir in der Seele weh. Ich hätte der Hose so gerne einen dritten Winter gegönnt. Doch das führt uns zu einem interessanten Punkt: den Natur & Co-Preisen.
Die Preise
Die Preise sind eine Wucht. Für die Hose haben wir damals – Achtung! – 16 Euro bezahlt. Und auch die anderen Teile bekommt man für wenige Taler, bedenkt man die hohe Qualität. Wie viele Kleidungsstücke werden schon im selben Gebäude, in dem sie verkauft werden, hergestellt?
Natürlich beließen wir es nicht bei einer Hose. Es kamen Unterhemden, Strickjacken (auch sehr zu empfehlen), Strumpfhosen, Schlafsäcke, Mützen, Pulswärmer (als Babystulpen umfunktioniert), ein handgeschnitztes Holzauto, ein Kinderbesen und ein Body dazu. Letzteren kann ich nicht empfehlen, der saß nicht richtig und die Knöpfe im Schritt (Natur & Co verarbeitet meines Wissens keine Druckknöpfe, da sie aus Metall sind) haben mich etwas verzweifeln lassen. Ansonsten sind wir jedes Jahr aufs Neue Großeinkäufer in Königsfeld.
Der Superclou: Maßanfertigungen
Ein wichtiger Punkt noch: Da bei der Öko-Institution alles selbst produziert wird, sind Maßanfertigungen gar kein Problem. Mein Mann hat sich beispielsweise Leinenhemden anfertigen lassen (für 45 Euro das Stück, wenn ich mich recht erinnere) und E bekam als Windelfrei-Kind extra lange Unterhemden, die bis zu den Knien reichen. Bodies fand ich fürs Windelfrei unpraktisch, aber normale Shirts rutschten immer aus der Hose heraus. Ich glaube, ich habe 15 Euro für die langärmeligen Wolle/Seide-Windelfrei-Unterhemden bezahlt.
Der Onlineshop
…präsentiert leider nur einen kleinen Teil des vor Ort bestehenden Sortiments. Es lohnt sich aber anzurufen (auch wegen Rücksprache zu Größen) – die Beratung ist ausgezeichnet. In Tübingen gibt es außerdem einen kleinen Shop. Aber ans Original in Königsfeld kommt der nicht ran.
Leider ist Wilhelm Dietz dieses Jahr verstorben. Seine Frau führt nun das Unternehmen. Hier möchte ich mein herzliches Beileid ausdrücken. Danke fürs „Erfinden“ von Natur & Co! Als stiller Gruß ziert seine Handschrift jedes einzelne der herrlichen Kleidungsstücke.